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Die Thule-Kultur – eine Zivilisation in der Arktis

Den Ursprung der heutigen Inuit-Kultur bildete die Thule-Kultur. Sie ist eine prägende Zeit der Kultur der indigenen Ureinwohner der Arktis, die bis ca. 1800 datiert wird. Es ist faszinierend, welche Errungenschaften die Menschen in dieser Zeit hervorgebracht und wie sich perfekt an die widrigen Lebensumstände der Arktis angepasst haben. Zeit, der Thule-Kultur einen Blogbeitrag zu widmen.

Grundlegendes

Der Name „Thule“ beruht nicht auf einer eigenen Beschreibung der antiken Kultur, sondern auf einer Ausgrabung. Die wichtigsten Ausgrabungen als Grundlage der Thule-Kultur wurden eben dort, auf einem weit entfernten Ort auf Grönland vorgenommen. Die Thule-Station war eine nach der mythischen nordischen Insel benannte Handelsstation in Grönland im Ort Uummannaq. Später bezeichnete man den ganzen Ort mit dem Namen Thule – da dort dann die Ausgrabungen stattfanden, die die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Kultur begründen, sprechen wir heute von der Thule-Kultur.

Ausbreitung

Die Thule sind an sich keine einheitliche Volksgruppe der Inuit, wenngleich sie sich genetisch auch von den ebenfalls in Nordamerika zu der damaligen Zeit lebenden Dorset unterschieden. Das gemeinsame Merkmal der indigenen Völker der Thule sind ihre Kultur und die Art und Weise, wie sie jagten und welche Techniken sie dabei einsetzten. Die Thule lebten entlang der Beringstraße. Ihre Hauptausbreitungsgebiete waren Grönland, dort zunächst vor allem der Westen, und die Küsten Alaskas. Die Beringstraße war ihr Ursprungsgebiet. Doch als eine Warmzeit kam, dehnten sich ihre Siedlungen um 1000 n. Chr. immer weiter nach Osten in die Arktis aus. Sie schufen Siedlungen über ganz Grönland, dehnten sich dann aber auch weiter in die Hocharktis des heutigen Kanadas aus. Auch nach Süden zog es sie in die Nähe der Hudson Bay.

Doch ab ca. 1400 gab es eine kleine Eiszeit. Nun wurden die bisherigen Gebiete nicht mehr ertragreich genug für die Menschen. Daher gaben sie den Norden nach und nach auf und zogen nach Süden.
Ihre große Ausbreitung beruhte auch auf ihren einzigartigen Gebäuden. Sie bauten Wintersiedlungen mit halb unterirdischen Winterzimmern, die vor der bitteren Kälte perfekt schützten. Im Sommer waren sie überwiegend Nomaden und lebten in Zelten aus Tierhäuten. Noch heute gibt es in einigen Gebieten originale Thule-Winterhäuser zu bestaunen. Hochinteressant dabei: Die Thule-Gemeinschaften errichten in den Winterdörfern Vorratskammern, in denen Nahrung gelagert wurde. Die Menschen teilten sich diese. Die Kammern waren erbaut aus Knochen von Tieren, insbesondere von Grönlandwalen, sowie aus Steinen.

Jagd

Die Thule waren bestens auf die arktischen Gegebenheiten angepasst. Sie jagten vor allem Meeressäuger, aber auch Tiere an Land (sogar Eisbären). Der letztere Umstand dürfte für den Erfolg der Thule von besonderer Bedeutung gewesen sein. Das zeigt ein Vergleich mit den Dorset: Diese waren ein weit verbreitetes Volk in der nordamerikanischen Arktis. Sie lebten von der Jagd auf Meeressäuger, wie z.B. Robben. Dafür warteten sie an Eislöchern, an denen die Tiere zum Luft schnappen nach oben kamen. Mit scharfen Klingen und geschicktem Auge konnten sie dann zupacken und ließen ihre Beute nicht entkommen. Eine Art der Jagd, auf die auch die Thule setzten.

Allerdings ist diese Jagd anfällig für Klimaveränderungen. Nach dem 10. Jahrhundert n. Chr. setzte eine Warmzeit ein. Die Arktis veränderte sich. Das Meereis zog sich stark zurück. Die Folge: Die Jagd nach Landtieren mit Pfeil und Bogen bekam große Bedeutung, um das Überleben der Menschen zu sichern. Doch die Dorset hatten diese Technik offenbar nicht. Dieser Umstand könnte – neben anderen, wie z.B. eingeschleppte Krankheiten durch die sich ausbreitenden Thule – zu dem Aussterben der Dorset geführt haben, während die Thule überlebten.

Waljagd

Aber auch ein anderer kultureller Vorteil zeichnete die Thule gegenüber den Dorset aus: Sie benutzten ausgeklügelte Kajaks und große offene Boote, die sogenannten Umiaks. Heute mag uns das als martialisch erscheinen, aber damals war es eine wichtige Überlebensmethode: Aus diesen Booten heraus jagten die Thule nach Walen. Genauer gesagt Grönlandwale. Mit selbst hergestellten Harpunen erlegten sie die Tiere, die ihnen Nahrung und viele Materialien boten. Wir lehnen heute als Menschen die Waljagd ab, aber für die Thule war sie überlebenswichtig. Sie verschaffte ihnen zudem auch einen großen Vorsprung gegenüber den Dorset, die nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht über Boote verfügten.

Hundeschlitten

Doch nicht nur die Waljagd machte die Thule zu Überlebenskünstlern: Es kamen noch zwei weitere faszinierende Fähigkeiten hinzu. Die erste Methode ist die Verwendung von Hundeschlitten. Die Thule schafften es, die wilden Hunde nicht nur zu zähmen, sondern zu treuen Begleiten auszubilden. Zu Begleitern, die mit ihnen lebten und jagten und die harten Bedingungen der Arktis mit der geduldigen Seele der Vierbeiner ertrugen. Mit den Hundeschlitten war es den Thule möglich, über große Entfernungen zu reisen, zu jagen – und vor allem auch Handel zwischen ihren Gemeinschaften zu treiben. Die Mobilität machte sie nicht nur zu Überlebenskünstlern der Arktis, die Jagdgebiete in weiter Entfernung von ihren Siedlungen erschließen konnte. So entstand auch Zusammenhalt zwischen den Siedlungen, die weit verzweigt waren über die Arktis. Mit den Hundeschlitten konnten sie auch das Großwild verfolgen, das sie jagten, darunter eben auch Eisbären.

Eisen

Eine weitere bemerkenswerte Errungenschaft der Thule war ihre Eigenschaft, Eisen für die Jagd zu verwenden. Es mag sein, dass die Thule Grönlands vor allem durch die Wikinger mit dem Metall und seiner Verarbeitung in Berührung kamen. Der dabei von ihnen verwandte Arbeitsprozess ist die sogenannte „Epi-Metallurgie“: Hierbei schaffen sie es, das Eisen stärker und härter zu machen, so dass es wunderbares Material für Jagdwerkzeuge bietet.

Kultur

Blicken wir auf einen Zeitraum ca. ab dem Jahr 900 n. Chr. Zu dieser Zeit hatten die Thule einen großen Teil Alaskas entlang der Beringstraße besiedelt. Die Thule waren eng miteinander vernetzt, weil die Dörfer einander mithilfe der Hundeschlitten besuchten und Handel betrieben. Doch das führte auch zu Spannungen: Dörfer und Gemeinschaften traten miteinander in Wettbewerb. Die Dorfgesellschaften waren streng hierarchisch organisiert. Das Besondere: Dies führte dazu, dass nicht mehr jedes einzelne Mitglied der Gemeinschaft in die Kategorie der Sammler und Jäger einzuordnen war. Besondere Professionen entstehen: Es gab Künstler, die davon lebten, mit ihren Werken zu unterhalten und Legenden zu transportieren. Und es gab politische Führer, die Anhänger hinter sich sammeln und die Entwicklung der Gemeinschaften prägen.

Eine bemerkenswerte Errungenschaft stellten die Pfeile und Bögen dar: Die Dorset als andere Ureinwohner der Arktis Nordamerikas verfügten nicht über die Technik. Dies bedeutete einen erheblichen Wettbewerbsnachteil um Nahrung. Doch haben die Thule diese Technik selbst entwickelt? Es gibt eine schier unglaublich anmutende Theorie: Könnten die Thule mit ihren Schiffen bis nach Asien gekommen sein und dort auf die Mongolen getroffen sein? Könnten sie von diesen kühnen Kriegern der Vergangenheit die Technik erlernt haben? Dafür spricht: Die Thule bauten Lamellenpanzer aus Tierknochen, die insbesondere Milizen in den Dörfern trugen. Diese erinnerten sehr an die Mongolen und die chinesischen Panzer der damaligen Zeiten.
Die Thule verfügten darüber hinaus über eine reichhaltige Kultur. Sagen der Inuit und der bis heute bekannte Kehlkopfgesang sind Ausprägung dieser künstlerischen Ader der Thule. Das Besondere in ihrer künstlerischen Prägung war, dass sie nicht nur Werkzeuge und Waffen mit Verzierungen versahen, sondern auch andere Gegenstände. Das ist insoweit bemerkenswert, als viele Kulturen versuchten, mit Verzierungen wie Bären Jagdinstrumenten besondere Kraft zu schenken. Bei den Thule wurden solche Verzierungen auch für andere Gegenstände genutzt, was auch Beweis ist, dass es Künstler gab, die sich nicht täglich der überlebenswichtigen Jagd widmen mussten.
Heute finden wir noch an vielen Stellen die sogenannten Inuksuit. Das sind Landmarken in der Form von Steinmännchen, mit denen sich die Thule bei der Jagd und bei Reisen zwischen den Siedlungen orientieren. Es wird angenommen, dass diese Steinmännchen aufgrund ihrer künstlerischen Aufmachung auch als Kultstätten dienten oder den vorbeiziehenden Menschen viel Glück auf ihren Reisen schenken sollten.

Ausbreitung nach Osten

Doch die Kultur führte auch dazu, dass die Thule sich ab dem 10. Jahrhundert nach Osten ausbreiteten. Sie wollten der Überbevölkerung an den Küsten entgehen und sich neue Jagdgebiete erschließen. Zudem gab es ab dem 10. Jahrhundert eine Warmzeit. Das Meereis ging zurück. Die Thule konnten mit ihren Techniken daher auch in anderen Gebieten jagen. Dort trafen sie auch auf die Dorset, die damaligen Einwohner der Gebiete. Mit diesen vermischten sie sich nicht, sondern waren diesen wohl mit ihren Techniken überlegen und verdrängten sie nach und nach.

Es gab aber möglicherweise noch einen anderen, viel wichtigeren Grund für den Zug nach Osten: Eisenmangel. Wie bereits beschrieben, war Eisen wichtig für die Thule. Es bildete die wichtigste Grundlage für ihre Werkzeuge und damit für ihr Überleben. Doch mit der starken Verbreitung der Thule entlang der Küste schmolz der Nachschub an Eisen dahin. Daher war der Weg nach Osten nur logisch für die Thule.

Thule und Wikinger

Es ist bewiesen, dass die Thule und die Wikinger regen Handel durchführten. Von den Wikingern erfuhren die Thule wahrscheinlich auch von Eisenfunden im Osten. Die Thule tauschten mit den Nordmännern Walrosselfenbein gegen Eisen. Historiker können das gut belegen, denn das Elfenbein konnte noch im mittelalterlichen Italien gefunden werden.

Inuit

Warum reden wir heute nicht mehr von den Thule, wenn wir auf die Inuit blicken? Das hängt auch mit uns Europäern zusammen. Blicken wir insbesondere auf die Thule Grönlands. Sie sahen sich ab Anfang des 17. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert mit vielen Europäern konfrontiert: Walfänger, die vor den Küsten Grönlands das lukrative Geschäft der Jagd auf Wale unternahmen. Die Thule verloren so nicht nur eine der wichtigsten Nahrungsquellen. Überall tauchten auch Europäer in ihren Siedlungen auf. Manche unterdrückten oder töten die Thule. Andere ließen sich zwischen ihnen nieder. Es folgten enge Handelsbeziehungen und Missionarstum. Die Menschen verloren nach und nach ihre indigenen Wurzeln und wurden zu den heutigen Inuit: Kulturbewusst, ihren Ursprung kennend und diesen verehrend und doch auch in der Moderne angekommen.

In den Inuit von heute, ihren Traditionen und Gebräuchen leben die Thule weiter. Sie sind eine perfekt auf die arktischen Verhältnisse angepasste Kultur. Viele Menschen sind fasziniert davon, wie sich die Menschen perfekt ihrer oft so feindselig wirkenden und doch volleren Leben steckenden Umgebung angepasst werden.

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