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Den ersten Teil haben wir vergangene Woche erzählt. 1914 brach Shackleton mit der Endurance und 27 Männern auf, um den Südpol zu erreichen und anschließend zu durchqueren, Doch einen Tag vor dem geplanten Anlandungspunkt bleibt die Endurance mit ihrer Crew im Eis stecken. Als das Schiff drohte, durch das Eis zerquetscht zu werden, verlässt Shackleton mit seiner Crew das Schiff. Fortan leben die Männer auf dem Eis im sogenannten „Ocean Camp“ und müssen am 21. November 1915 beobachten, wie die Endurance im Eis versinkt. Aber wie ging es für die Männer weiter?
Eine der größten Heldengeschichten der Antarktis betrifft die Fahrt der Endurance und ihrer Crew. Im Jahr 1914 brach Ernest Shackleton mit seinen Männern auf, um den Südpol zu überqueren. Doch die Antarktis zeigte Shackleton und seiner Crew ihr unerbittliches Gesicht – die mächtige Endurance, das stolze Schiff Shackletons, wurde im Eis eingeschlossen und sank später. Die Männer harrten auf dem Eis aus, sie zogen über das Eis, trieben auf einer Eisscholle in nie bewohnte Regionen unserer Erde, und im Angesicht des Todes fanden sie all ihren Heldenmut. Denn es ist nicht nur die Geschichte von Ernest Shackleton, der alle seine Männer vor dem sicheren Tod bewahrte, nein: Es ist auch die sagenumwobene Fahrt des James Caird, eine der größten Bootsfahrten der Geschichte, in der ein kleines Segelboot mit sechs Männern über 750 Meilen durch die Antarktis reist, um die Crew zu retten. Wir lieben die Geschichte dieser tapferen Männer so sehr, dass wir von Eisexpeditionen.de sie in zwei Blogbeiträgen erzählen, um ihr den Raum zu geben, den sie verdient.
Es war der Dezember 1915, in dem Shackleton eine folgenschwere Entscheidung für seine Männer und sich traf – aber eine, die sich im Nachhinein erneut als richtig erweisen sollte.
Shackleton stand auf dem Eis, und einen kurzen Moment hielt er die Luft an.
Leonard und einige der anderen Männer beobachteten ihn aus einigen Metern Entfernung.
„Wir können hier nicht bleiben,“ sagte einer von ihnen.
„Quatsch,“ sagte der andere. „Wir sollten nahe am Wasser bleiben. Hier finden uns am ehesten Schiffe.“
„Nein, Du Dummkopf,“ sagte ein Dritter. „Wir sind schon zu nahe am Wasser. Merkst Du es nicht? Das Eis bricht. Bald wirst Du dem Wasser so nahe sein, wie Du es dir nie gewünscht hättest.“
Leonard Hussey, Meteorologe der Expedition, wusste, dass dieser Mann Recht hatte. Es war für die Antarktis verhältnismäßig warm geworden. Die Winde wechselten dauernd ihre Richtung und bearbeiten das Eis zusätzlich. Die Dinge waren in Bewegung geraten.
Noch während die Männer diskutierten, schritt Shackleton an Hussey vorbei, ruhig und gelassen wie immer.
„Sir?“
„Ja, Mr. Hussey?“
„Was werden wir machen?“
Shackleton blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Was wir machen werden? Wir werden natürlich Weihnachten feiern.“ Dann ging er davon.
Mitte Dezember 1915 erkannte Shackleton, dass es für seine Männer und ihn gefährlich wurde. Das Eis, auf dem sie ausharrten, verrottete. Es war zu warm geworden, und wechselnde Winde trugen dazu bei, dass das Eis zunehmend schmolz. Würden sie hierbleiben, würden er und seine Männer wie die Endurance vor ihnen in die Tiefe gerissen werden. Er kündige seinen Männern an, dass er mit ihnen nach Westen marschieren würde, um die Lücke zwischen ihnen und ihrem Ziel, der abgelegenen Paulet-Insel am äußersten Ende der Antarktischen Halbinsel, zu schließen. Dazu würden sie ihre drei Beiboote der Endurance, die James Caird, Stancomb Wills und Dudley Docker, über das Eis ziehen, bis sie das offene Wasser erreichten.
Um die Moral der Truppe zu stärken, wollte er ihnen noch ein letztes, großes Weihnachtsessen ermöglichen. Da die Zeit wegen des schmelzenden Eis drängte, befahl Shackleton, den 22. Dezember als Weihnachtstag zu feiern, damit sie danach so schnell wie möglich aufbrechen konnte. Alles, was Luxus und für das Überleben nicht unbedingt notwendig sein würde, sollte dabei verbraucht werden. So gab es an diesen vorgezogenen Weihnachten für die Männer Sardellen im Öl, gebackene Bohnen und Hasen, und es sollte ein Festmahl werden, das weder er noch seine Männer jemals vergessen sollten. Danach begann der große Marsch. Am eigentlichen Weihnachtsmorgen, dem 25. Dezember 1915, befanden sich die Männer bereits auf dem dritten Tag ihres langen Marsches – und statt einem klassischen Weihnachtsessens gab es Frühstücksrationen um ein Uhr morgens, wie Shackleton später in seinen Memoiren schrieb.
„Was wohl die Leute zu Hause heute essen?“ fragte Leonard am Mittag des 25. Dezember 1915 in die Runde, als er an seinem dünnen Kakao nippte.
Zunächst antwortete keiner. Zu weit entfernt schienen London und die anderen Städte und Dörfer Englands, aus denen die Menschen stammten. Aber dann ging es los: Gans, Hase, Knödel, alle möglichen Leckereien wurden aufgezählt, und einige Männer begannen, von den Kochkünsten ihrer Mütter und Frauen zu schwärmen. Es war ein fröhlicher Moment unter den Männern, und Leonard lächelte. Nur Frank schien traurig.
„Was ist los, mein Freund?“ fragte Leonard.
Frank schüttelte den Kopf. „Nichts,“ sagte er. „Ich frage mich nur…ob sie heute an uns denken? Ob sie noch glauben, dass wir leben, unsere Lieben daheim?“
Leonard schwieg eine Sekunde, bevor er lächelnd antwortete. „Natürlich. Wenn wir zu Weihnachten nicht an ein Wunder glauben, wann dann?“
Frank Hurley sollte den Tag später in seinen Logbüchern einfach als „Christmas Day“ ohne besondere Vorkommnisse beschreiben. So war sein Gemüt – korrekt und ohne Pathos, jedenfalls in seinen Aufzeichnungen. Die Männer setzten daher auch am 25. Dezember 1915 ihren Marsch unbeirrt fort.
Am 29. Dezember 1915 wurde jedoch der Marsch, nachdem die Männer zunächst gut vorangekommen waren, jäh beendet. Man stieß auf das, was Shackleton später als unüberwindbares Eis bezeichnen würde. Auf dem Packeis gefangen, beschloss Shackleton, hier nun das sog. „Patience-Camp“ neu zu errichten, also das Camp der Geduld. Er hatte jetzt die Hoffnung, dass seine Männer und er auf dem Packeis letztlich in die Richtung seines gewünschten Zieles treiben würden. Ausharren war nun seine Idee. Doch mit der Zeit wurde die schwimmende Insel kleiner und kleiner.
Anfang April 1916 wurde die Scholle der Männer von einer schnellen Strömung erfasst, die sie nach Norden trieb. Am 7. April wurden die Gipfel von Clarence und Elephant Islands sichtbar, und zwei Tage später machte sich die Besatzung mit den drei Walbooten, die sie von der Endurance geborgen hatten, auf den Weg zu letzterer. Nach sieben schrecklich stürmenden Tagen auf See gingen sie am 15. April 1916 an Land von Elephant Island.
„Blackborow!“, rief Shackleton laut aus.
Leonard blickte sich um und sah den jungen Matrosen aufstehen. Er war erschöpft und zitterte. Die harten Tage waren dem Mann, der der Jüngste unter ihnen war, anzusehen.
„Ja, Sir!“ rief Pearce Blackborow.
“Sind Sie fähig, an Land zu gehen?” fragte Shackleton mit fester Stimme.
Blackborow wirkte verwirrt. „Ja, Sir,“ sagte er, „warum?“
„Dann dürfen Sie sich glücklich schätzen, junger Mann. Sie werden der erste Brite sein, vielleicht der erste Mensch, der diesen gottverdammten Flecken Erde da betreten wird. Im Namen des Königs!“
„Im Namen des Königs!“ riefen die anderen Männer, begeistert, dass Shackleton die Ehre nicht für sich in Anspruch nahm, sondern für denjenigen, der unter ihnen alle die scheinbar geringste Position hatte.
Blackborow schluckte schwer, und Leonard, selbst am Ende seiner Kräfte, schmunzelte ob der Ehrfurcht des jungen Mannes, der nun aus dem Boot stieg.
Die Ehre, als wohl erster Mensch überhaupt dieses ferne Land von Elephant Island zu betreten, wurde dem jüngsten Crewmitglied zuteil, einem Mann namens Pearce Blackborow. Hier nun sollten die Männer ausharren, auf diesem kargen Felsen Land. Sie alle waren erschöpft. Am Ende der Kräfte. Aber das, was sie hier vorfanden, war nicht die Rettung.
Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick auf diese Insel werfen: Elephant Island, an der östlichen Grenze der Süd-Shetland-Inseln, lag weit entfernt von dem Ort, den die Expedition geplant hatte, und weit jenseits der normalen Schifffahrtswege. Der gesamten Crew und Shackleton waren bewusst, dass hier keine Hilfe kommen würde. Reines Ausharren würde die Männer nicht retten, denn nicht nur, dass ihre Proviante zu Ende gingen, die Insel war auch trostlos und unwirtlich – aber, immerhin, es gab eine Fülle von Robben und Pinguinen zum Jagen sowie Süßwasser zum Trinken.
„Halt Deinen Mund, Leonard,“ brüllte ihn der Mann an, und Leonard blickte wütend hoch.
„Was hast Du gesagt, Du Nichtsnutz?“ Drohend hob er seine Hand.
Der harte Wind und Schnee des einbrechenden antarktischen Winters hatten ein Zelt zerstört, und Leonard und andere Männer kämpften darum, noch einige Gegenstände unter dem Schnee zu finden und in Sicherheit zu bringen. Leonard konnte sich nicht einmal mehr erinnern, was er genau gesagt hatte. Er war, wie die anderen auch, am Ende der Kräfte und manchmal vergaß er nun Dinge und wollte eigentlich nur noch schlafen. Wut stieg in ihm hervor, kochende, pulsierende Wut, und am liebsten hätte er den Kerl erwürgt – warum, wusste er nicht mehr.
Gerade als er aufstehen und die Faust schwingen wollte, trat Shackleton hinzu.
„Was ist hier los?“ fragte er in scharfem Ton.
Beide Kontrahenten blickten sich an. „Nichts, Sir!“ antworteten Sie fast gemeinsam.
Aber Shackleton blickte beide an als wüsste er, dass genau das Gegenteil der Fall war.
Der antarktische Winter zog ein. Die Männer waren körperlich am Ende, aber nun sank auch die Moral, Depressionen und Aggressivität breiteten sich aus. Shackleton wusste, es war Zeit zu Handeln.
„Ich suche Freiwillige für diese Reise!“ sagte Shackleton ernst, nachdem er sein Anliegen erklärt hatte. Eine Reise, die in den Tod führen könnte, nicht mehr, nicht weniger.
Für einen Moment war Stille. Dann jedoch hoben fast alle die Hand, auch Leonard Hussey. Er war zwar nur der Meteorologe der Reise, aber auch er wollte seinen Beitrag leisten.
Sie wussten, dass Shackleton bereits den Kapitän, Frank Worsley, und Tom Clean, den Zweiten Offizier, ausgewählt hatte für die Reise mit ihm.
Shackleton musste sich erkennbar sammeln, gerührt von den vielen Meldungen.
„Vincent! McCarthy! Sie kommen mit,” sagte er schließlich, bevor er jedem einzelnen, die er nicht ausgesucht hatte, für ihren Mut dankte. Leonard konnte es ihm nicht verübeln. Beide Männer, die er ausgewählt hatte, waren starke Seeleute. Genau diese würde er für seine Reise brauchen.
Dazu nahm Shackleton noch den Zimmermann Harry McNish mit auf die gefährliche Reise, obgleich er bereits über 50 Jahre alt war. Aber Shackleton schätzte den Mann, den er als guten Seemann mit schneller Auffassungsgabe einschätzte – genau richtig für die anstehende Reise.
Und welche Reise war es? Keine Geringere als die Überfahrt nach Südgeorgien.
Mit dem kleinen Walboot James Caird, dass die Männer den ganzen Weg von London aus an Bord der Endurance und dann über das Eis begleitet hatte, stach Ernest Shackleton am 24. April 1916 in See. An Bord waren mit ihm die zuvor genannten Männer, und Shackletons Hoffnungen auf dieser rauen See, zur Überwindung des unendlich scheinenden Weges nach Südgeorgien, beruhten vor allem auf den hervorragenden Navigationsfähigkeiten von Kapitän Frank Worsley.
Werfen wir einen Blick auf die James Caird. Sie war das stärkste und schwerste der drei verbliebenen Boote der Endurance und 22,5 Fuß (6,9m) lang. Das im Verhältnis zur Endurance kleine Boot war als Walboot in London auf den Befehl von Worsley hin gebaut worden, entworfen nach dem vom norwegischen Schiffsbauer Colin Archer eingeführten „Doppelend“-Prinzip. In weiser Voraussicht hatte Shackleton sie bereits während der Zeit, in der die Crew im Patience Camp ausharrte, modifizieren lassen und mit verbliebenden Material aus dem vierten Boot der Endurance (einer eher unbedeutenden Motorbarkasse) verstärken lassen. Die Seiten des Bootes hatte McNish so um knapp 10 Zoll verstärkt, damit sie auch schwierigen Seegang überstehen konnte. Trotzdem war sie, insbesondere im Verhältnis zur Endurance, nichts mehr als ein kleineres Beiboot, und keinesfalls gemacht für eigenständige Expeditionsseereisen oder noch stärkerem Wellengang. Trotzdem solle dieses Boot Seefahrtgeschichte schreiben.
„Da gehen sie hin,“ sagte Frank Hursley, als Leonard und er den Männern nachsahen. „Die sehen wir nicht wieder,“ sagte er.
„Doch,“ sagte Leonard. Er hatte den festen Glauben an Shackleton, Worsley und die anderen Männer, auch wenn es wegen ihres kleinen Boots wie ein Aberglaube erschien, dass sie es schaffen würden.
„Nein, unmöglich“, schüttelte Frank den Kopf. „Für uns wird es Deception Island. Shackleton hat Wild das Kommando übergeben, wir sollen hier ausharren und dann im Frühjahr losziehen.“
Wenn es für uns ein weiteres Frühjahr gibt,“ murmelte Leonard, und blickte der James Caird noch nach, als sie längst aus seinem Sichtfeld verschwunden war.
Die gesamte Hoffnung der verbleibenden 22 Männer auf Elephant Island beruhte auf der extrem gefährlichen Rettungsmission der James Caird, angeführt von Ernest Shackleton. Er stach zusammen mit einer fünfköpfigen Crew in ihrem winzigen 22-Fuß-Boot in See und versuchte, dass 750 Seemeilen entfernte Südgeorgien zu erreichen. Sollten sie scheitern, dann hätte die Außenwelt keine Kenntnis von den 22 auf Elephant Island Gestrandeten. Die verbleibenden Männer ahnten wohl, dass sie dann dort den Tod finden würden.
Shackleton setzte zunächst Kurs nach Norden – keinen Direktkurs nach Südgeorgien, weil er den sich bildenden Eisfeldern unbedingt ausweichen wollte. Es war ein Höllenritt – es gelang ihnen zwar schon bald, das unmittelbare Eis hinter sich zu lassen, aber der Seegang war fürchterlich und mehrfach drohte das kleine Schiff zu kentern. Das kleine Segelboot wurde von den sechs Männern jedoch zunächst sicher 45 Seemeilen von Elephant Island geführt. Aber nicht nur die Enge des kleinen Schiffes, die schon den Wechsel von Positionen schwierig machte, sowie die Gefahr zu kentern setzte den Männern zu, sondern vor allem auch das kalte Wasser. Shackleton und seine Männer waren auf eine Expeditionsreise über die Antarktis zu Land vorbereitet gewesen, nicht auf eine Schifffahrt auf einem so kleinen Boot. Das kalte Wasser drang ihnen daher oft bis auf die Haut durch, und oft froren sie so bitterlich, dass Schmerzen ihren gesamten Körper ergriffen.
Auch die Navigation war schwierig, da die Sonne nur kurz auftauchte. Aber nun zeigten sich Worsleys herausragende Navigationsfähigkeiten, und nach zwei Tagen, etwa 128 Seemeilen von Elephant Island entfernt, setzte Worsley direkt Segel gen Südgeorgien. Nun galt es für die Männer, die schwierige Drake-Passage zu durchqueren – nicht mehr das Eis war die unmittelbare Bedrohung, nein, hier waren es riesige Wellen. Es war der Kunst des Seemanns Crean zu verdanken, dass die Männer überhaupt noch etwas essen konnten hier an Bord, denn die Zubereitung eines Mahls war fast unmöglich geworden.
Worsley würde im Übrigen später zugeben, dass eine Zeit kam, in der die Navigation nichts als ein fröhliches Rätselraten wurde, denn das Wetter wurde derart schlimm, dass es selbst für diesen hervorragenden Seemann keine Beobachtungspunkte mehr gab. Ab Ende April, Anfang Mai folgte die schlimmste und härteste Zeit für die Männer an Bord. Schwerer Seegang spülte Gischt aufs Schiff und mehrfach drohte der James Caird der Untergang. Die Gischt war deswegen besonders gefährlich, weil sie gefroren war, und die Männer mussten mit einer Axt auf das Deck hinauskriechen und das Eis von Deck und Takelage absplittern.
Aber sie schafften es, das Schiff auf Kurs zu halten und gaben nicht auf. Am 4. Mai, so schätzte Worsley, hatten sie bereits 250 Seemeilen zurückgelegt. Hoffnung keimte auf, nur um ab dem 5. Mai wieder erschüttert zu werden, denn nun kam erneut harter, schwerer Seegang auf. Das kleine Schiff, so schien es, wurde in den Himmel emporgehoben von den Wellen. Es wirkt fast wie ein Wunder, dass die Männer mit dem kleinen Boot diesen schlimmen Tag überstanden, und nach Worsleys Berechnung sollten es nur noch 115 Seemeilen bis Südgeorgien sein.
Die Männer waren zu diesem Zeitpunkt fast am Ende ihrer Kräfte. Der Matrose Vincent bereits zusammengebrochen und nicht mehr fähig den anderen zu helfen. Andere, wie etwa McCarthy, sollte Shackleton später als zu diesem Zeitpunkt „schwach, aber glücklich“ bezeichnen, und von McNishs Mut war Shackleton selbst beeindruckt.
Schließlich sollten die Männer, wie ein Wunder, am 7. Mai die ersten Kormorane sehen. Die Vögel waren ein Zeichen der Hoffnung, denn sie konnten sich nicht weit von Land wegbewegen – und tatsächlich, am 8. Mai, hieß es „Land in Sicht“. Die Männer hatten Südgeorgien erreicht.
Nun darf man sich – auch heute – Südgeorgien nicht als ein dicht besiedeltes Land vorstellen, so dass die Sichtung von Land auch quasi die Rettung bedeutete. Im Gegenteil: Noch drohte das kleine Boot mit seiner Besatzung am Ende ihrer Kräfte abgetrieben zu werden. Noch drohte schwere See jede Rettung der zurück gelassenen Crew unmöglich zu machen. Schiffbruch war eine immanente Gefahr – das kleine Boot konnte bei diesem harten Seegang an den Felsen Südgeorgiens zerschellen oder an der Insel Annenkov, fünf Meilen von der Küste entfernt, stranden.
Doch eine der größten Bootsfahrten der Geschichte, eine Meisterleistung der Navigation, musste ihr Ende finden. Shackleton hatte am 10. Mai 1916 befohlen anzulanden, denn er glaubte nicht mehr, dass die Männer noch einen oder mehrere Tage auf See überstehen würden. Nach einigen Versuchen gelang es dann, die Anlandung an Cave Cove in der Nähe des Eingangs zur King Hakon Bay.
Doch so glücklich die Männer auch waren, Shackleton wusste, dass es nun nicht mehr weiter ging mit dem Schiff auf hoher See. Die James Caird würde das nicht überstehen, und auch Vincent und McNish waren nicht mehr in der Lage, weiter zu gehen. Am 15. Mai machte die James Caird einen Lauf von etwa 6 Seemeilen (11 km) zu einem Kiesstrand in der Nähe des Kopfes der Bucht. Hier wurde das Boot gestrandet und zum Schutz aufgedreht. Es ist wohl eine Art britischer Humor oder Verbindung zu den größten Dichtern dieser Zeit, dass die Männer den nun gefundenen Ort „Peggotty Camp“ nannten, und damit an Charles Dickens David Copperfield erinnerten, in dem das Peggotty’s Bootshaus eine Rolle spielten. Nun lag es an Shackleton, Worsley und Clean, die letzten Meilen zu den Walfangstationen zu Fuß zu überqueren.
Nach der Heldentat an Bord der James Caird ging die Legende von Shackleton und seinen Männern Worsley und Crean weiter. Denn nun folgte geschichtlich die erste belegte Landüberquerung des Landesinneren von Südgeorgien – und, man mag es heute in Zeiten von Google Maps kaum glauben, das Ganze komplett ohne jede Karte. Die Männer improvisierten, versuchten ihre Position anhand von Bergketten und Gletschern zu bestimmen, und man mag es kaum glauben: Nach 36 Stunden ununterbrochener Reise erreichten sie Stromness und damit tatsächlich eine sichere Walfangstation.
Die Tür wurde aufgestoßen und die Männer blickten überrascht zu ihr. Keiner von ihnen war mehr draußen und sie erwarteten auch keine Neuankömmlinge. Einige wollten schon zur Pistole greifen. Denn was dort in der Tür stand, das war der Tod. Oder besser: Drei Reiter des Todes, kaum mehr als Menschen erkennbare Männer, abgemagert und abgekämpft, dreckig wie die Nacht, aber in ihrem Blick war auch etwas, was wie Hoffnung aussah.
„Mein Name ist Ernest Shackleton,“ sagte der erste von ihnen. „Wir benötige ihre Hilfe.“
Die Männer flüsterten. Shackleton, Shackleton…der Shackleton? Dann begann der Jubel.
In späteren Berichten heißt es, jeder der Walfänger wollte persönlich die Rettung der Männer von Shackleton übernehmen. Keiner wollte diese besondere Ehre verpassen. Es war der Abend des 19. Mai, als der norwegische Walfänger Samson auslief gen Hakon Bay, um McCarthy, McNish und Vincent sowie die nun schon berühmte James Caird zu sichern.
Leonard blickte zum Horizont.
„Keiner wird kommen,“ sagte Frank bitter. „Jeden Tag stehst Du hier. Immer hoffst Du. Aber niemand kommt. Er ist tot. Sie sind alle tot.“
„Nein,“ sagte Leonard und schüttelte den Kopf. „Ich weigere mich, das zu glauben. Ich spüre es nicht.“
„Es sind mehr als 750 Seemeilen nach Südgeorgien. Du bist ein Narr, wenn Du glaubst, dass irgendein Mensch das schaffen kann. Nicht einmal Worsley und erst recht nicht unser großer furchtloser Anführer Ernest Shackleton. Es sind vier Monate vergangen, er…“
Und dann? Dann sahen sie das Schiff.
Shackletons Gedanken waren bei den Männern, die er auf Elephant Island zurücklassen musste. Nichts wäre gewonnen, die Heldenfahrt der James Caird vergeblich gewesen, würden sie auf diesem kargen Felsen in der Antarktis erfrieren. Und da dies die Realität ist, das echte, harte Leben, sollten seine Rettungsversuche zunächst scheitern. Weder mit dem Schiff Southern Sky der britischen Regierung noch mit dem Schiff Emma konnte er Elephant Island erreichen. Aber dann kam ihm Luis Pardo mit seinem Dampfschlepper Yelcho zu Hilfe, und tatsächlich gelang ihnen zusammen, den schweren Weg nach Elephant Island zu bestreiten. Sie brachten alle verbleibenden 22 Männer von Shackletons Expedition gemeinsam sicher am 3. September 1916 nach Punta Arenas in Chile.
28 Männer waren in eine der gefährlichsten Expeditionen ihrer Zeit gestartet, waren im Eis festgehalten worden und mussten Schnee, Kälte und Hunger trotzen. Sie trieben auf einer Eisscholle in die unwirtlichsten Regionen der Welt, und sechs von ihnen gingen auf eine der größten Bootsfahrten der Geschichte, um die anderen zu retten.
Aber das gelang: 28 Männer kehrten sicher in ihre Heimat zurück. Sie waren durch die Hölle gegangen, schrieb Shackleton später. Aber er, Ernest Shackleton, einer der größten Abenteurer unserer Geschichte, hatte sie alle wieder daraus nach Hause geführt.
Wollen auch Sie sich auf die Spuren von Shackleton und seinen Männern gegeben? Dann sprechen Sie uns gerne an. Wir werden für Sie Ihr ganz persönliches, großes Abenteuer zusammenstellen.
Ihr Team von Eisexpeditionen, Ihr Spezialist, wenn es um Expeditionskreuzfahrten geht!8.800
pro PersonAntarktis – Basecamp
9.700
pro PersonAntarktis – Elephant Island – Weddellmeer – Polarkreis
5.800
pro PersonAntarktis – Entdeckung und Lernreise zur Walbeobachtung